trag‘ was bei-tritt‘ mal aus?

Nach längerem Überlegen habe ich vor ein paar Tagen die Entscheidung getroffen, aus der römisch-katholischen Kirche auszutreten. In Wien geht das ganz einfach–am Magistratischen Bezirksamt Ausweis und Taufschein herzeigen, Formular ausfüllen, fertig–und dauert gerade mal fünf Minuten.

Allerdings war ich damit dann doch nicht vollends zufrieden–ein kühler Verwaltungsakt reflektiert nicht wirklich die Gedanken hinter der Entscheidung; ich will mir nicht die Kirchensteuer oder zwei Wochenstunden Religionsunterricht ersparen.

Also schrieb ich an „meine“ Diözese:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich möchte Ihnen hiermit mitteilen, dass ich mich dazu entschlossen habe, aus der römisch-katholischen Kirche auszutreten und dies vor einigen Tagen dem Magistratischen Bezirksamt der Stadt Wien bekannt gegeben habe.
Diese Entscheidung ist mir nicht unbedingt leicht gefallen, und sie hängt jedenfalls nicht mit dem Kirchenbeitrag zusammen. Ich schätze die Kirche als eine Organisation, die vielen Menschen auf unkomplizierte Art und Weise zur Hilfe kommt.
Meiner Meinung nach hat sich die Kirche in den letzten Jahrzehnten durch eine übertrieben konservative Einstellung in vielen Fragen des Lebens an die Grenze des gesellschaftlichen Grundkonsenses begeben und leidet nun unter den Folgen. Insbesondere kann ich mich mit der Haltung der Kirche zur Sexualität und zur Gleichberechtigung der Frau schon seit einiger Zeit nicht mehr anfreunden. Ich vermute, dass in der Haltung der Kirche zu diesen Themen die Ursachen für einige der Skandale, die die Kirche in den letzten Monaten und Jahren erschüttert haben, und für viele der aktuellen Probleme der Kirche, liegen. Es ist gut, dass die Kirche nun darum bemüht ist, die Vorfälle der letzten Jahrzehnte aufzuarbeiten; allerdings handelt es sich aus meiner Sicht noch um eine Behandlung der Symptome und nicht um ein Eingehen auf die tatsächlichen Ursachen.
Wenn die Kirche es schafft (und das hoffe ich), in den nächsten Jahren den Weg zurück in die Mitte der Gesellschaft einzuschlagen, werde ich sie wieder unterstützen.

Beste Grüße

Ich bin gespannt, ob ich eine Antwort bekomme, die über eine automatisierte Bestätigung oder ein Schreiben mit Standardtext hinausgeht. Was sind eure Erfahrungen?

Update 30.6.: Die Kirchenbeitragsorganisation meiner Diözese hat mir eine ausgesprochen freundliche Antwort geschickt–es gehöre zweifellos einiges reformiert, aufgearbeitet und verbessert und man sei dabei, in einem Gesprächsprozess in Arbeitsgruppen auch die heißen Eisen (Zölibat, Frauenfrage, …) zu behandeln. Man glaube, dass die Kirche in Österreich über die „Symptombehandlung“ hinausgehe. Ich bin positiv überrascht.

8 Gedanken zu „trag‘ was bei-tritt‘ mal aus?

  • 29. Juni 2010 um 16:43 Uhr
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    vor ca. 8 Jahren ist ein guter Bekannter Ausgetreten und der hat ein persönliches Schreiben vom Schönborn bekommen. Aber erwarte dir nicht zu viel von dem Verein. was sind ein paar hundert Jahre kritische Schäfchen vs. 2000 Jahre inzestuöser Machtbesessenheit.

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    • 17. Juli 2010 um 13:54 Uhr
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      Das Profil ist wohl nur dann eine passende Quelle, wenn man seine schlimmste Meinung gegen die kath. Kirche bestätigt sehen will. Andernfalls ist das Profil keine valide Quelle.

      http://www.zenit.org ist eine Möglichkeit, einen ideologisch unbelasteten Zugang zu Informationen über die röm.-kath. Kirche zu erhalten.

      lg Dominik

      • 17. Juli 2010 um 15:59 Uhr
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        Wenn man lesen möchte, dass ohnehin alles in Ordnung sei, dann sollte man kath.net lesen.

  • 17. Juli 2010 um 16:11 Uhr
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    Wenn man mit echten Menschen in der Kirche spricht merkt man wie groß die Diskrepanz und Lebenslüge geworden ist. Ich würde bei dem Thema keinem Medium vertrauen.

    btw: Die Definition von Objektivität und Neutralität liegt immer in den Händen der Mächtigen.

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