Was mich stört, Atheisten…

Rund um den zehnten Jahrestag der Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon hat der Österreich-Ableger der Giordano Bruno-Stiftung auf seiner Facebook-Seite „Atheism“ das folgende Bild gepostet:

Wie sie sehen zeigt das Bild die Twin Towers mit der Sonne im Hintergrund. Man sieht aber auch ein großes Kreuz, das durch den Raum zwischen den Türmen und die Sonnenstrahlen gezeichnet wird.Eine schnelle Suche bei Google zeigt, dass diese Sichtweise durchaus gängig ist und führt außerdem auf einige Seiten, die das ursprüngliche Bild als Ganzes zeigen.

Die Aufschrift soll wahrscheinlich aussagen, dass das World Trade Center noch stünde, wenn es keine Religion gäbe. (Die andere Interpretation, „Stellt euch vor es gibt keine Religion–also weg mit dem Kreuz!“, erscheint doch ein wenig zu heftig.)
Ab hier wird es geschmacklos. Im Umkehrschluss bedeutet die obige Aussage, dass die Twin Towers nicht mehr stehen, weil es Religionen gibt. Es tragen also die bösen Religionen, und da natürlich insbesondere die bösen Moslems, daran Schuld, dass über dreitausend Menschen an jenem 11. September umkamen.

Fakt ist, dass die Anschläge von einer islamistischen Terrororganisation verübt wurden, die in ihren Heimatländern eine ökonomische und politische Lage vorgefunden hat, die es ermöglicht hat, Selbstmordattentäter zu rekrutieren. Was mich an dem Bild besonders stört, ist, dass es Religion und religiösen Fundamentalismus gleich setzt. Diese Gleichsetzung ist schlicht und ergreifend falsch und erinnert mich vor allem an die Wahlpropaganda der FPÖ. Von der Fecebook-Präsenz einer „humanistisch-aufklärerischen Denkfabrik“ (Eigendefinition) hätte ich mir das nicht erwartet.

Was mich auch stört, liebe Atheisten, ist, dass manche von euch gerne mal missionieren und dabei implizit die Anhänger von Religionen als dumm, fanatisch, radikal oder zurückgeblieben darstellen. In diesem Wesenszug seid ihr nicht viel besser als die Religionen, die ihr kritisiert; man könnte meinen, der Atheismus würde selbst zur Religion. Aus einer persönlichen Perspektive kann mir das egal sein–ich weiß genau, woran ich nicht glaube. Aus einer gesellschaftspolitischen Sicht ist mir das nicht egal. In unserer Gesellschaft ist es zum Glück jedem freigestellt, woran er (nicht) glaubt, egal ob das Gott, Allah oder das fliegende Spaghettimonster ist. Ein säkularer Staat kann aber nur dann gut funktionieren, wenn die Bürger einander gegenüber tolerant sind, wenn sie auch mal den Mut aufbringen, über den Tellerrand des eigenen (Nicht-)Glaubens zu blicken und andere Religionen und die damit verbundenen Kulturen kennen zu lernen*. Ich wünsche mir diese Toleranz und finde, frei nach Popper, dass sich die Gesellschaft das Recht herausnehmen muss, die Intoleranten nicht zu tolerieren.

Darunter sind einige von euch, werte Atheisten.

 

 

*mehr über die Versuche der österreichischen Atheisten, dies zu behindern, gibt’s hier.

 

4 Gedanken zu „Was mich stört, Atheisten…

  • 28. September 2011 um 13:37 Uhr
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    Netter Artikel, aber Du scherst gerade auch alle Atheisten über einen Kamm. „liebe Atheisten“, „seid ihr nicht viel besser“.

    Ich für meinen Teil lese in dem Bild das Wort „Imagine“. „Stell dir eine Welt ohne Religion vor“. Nicht „Fight for No religion“ oder „We don’t need religion“. Einfach nur „Imagine“. Und genau das sprichst du doch an, Toleranz, Freiheit, das zu glauben und zu denken was man will.

    Ich halte das Bild nicht für eine Provokation sondern für einen Denkanstoss.

    Aber schön, wie du auch auf den ökonomischen und politischen Hintergrund besagter Islamisten/Extremisten eingehst, das liest man selten.

    Gruss

    Frank

    • 28. September 2011 um 20:37 Uhr
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      Hi Frank!
      Danke für Deinen Einwand!
      In den letzten Jahren haben sich ein paar Organisationen gebildet, die für sich den Anspruch haben, „die Atheisten“ gegenüber der Politik und in Medien zu vertreten. Daher erlaube ich mir, „die Atheisten“ als eine Gruppe zu betrachten. In dieser Gruppe gibt es nun einige, die ich explizit wegen ihrer Haltung zu den Religionen kritisiere. Von den restlichen Angehörigen der Gruppe wünsche ich mir, dass sie diese Personen erkennen und ihre Intoleranz nicht tolerieren.

      Eine Frage zu dem Bild: Wenn das Bild nur die Aussage „Stell dir eine Welt ohne Religion vor“ hat, wieso verwendet man dann dieses sehr problematische Foto anstatt eines politisch und gesellschaftlich unproblematischen Fotos?

      Grüße
      Dan

  • 29. September 2011 um 08:15 Uhr
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    Ups, da ging was schief mit den HTML-Tags… 🙂

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