Zum Thema Kirchenaustritt

In letzter Zeit bietet die römisch-katholische Kirche wieder vielen Leuten einige Gründe, auszutreten. Da es zum Thema Kirchenaustritt in Österreich ein paar Gerüchte gibt, möchte ich hier die gesetzlichen Regelungen zusammenfassen und etwas dazu schreiben.

Das Gesetz, das den Austritt aus einer Kirche in Österreich regelt, wurde schon von Kaiser Franz Joseph erlassen und ist eines jener Gesetze, die von verschiedenen Reformen relativ unberührt gelassen wurden – abgesehen von einer Änderung 1939. Im Rechtsinformationssystem (RIS) ist es nicht ganz einfach zu finden: Gesetz vom 25. Mai 1868, wodurch die interconfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden.

Gesetz vom 25. Mai 1868, wodurch die interconfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden. Gültig für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder. Mit Zustimmung der beiden Häuser des Reichsrathes finde Ich das nachfolgende Gesetz, wodurch die interconfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden, zu erlassen.
Screenshot. Quelle: ÖNB ANNO

Hier ein Auszug daraus:

II. In Beziehung auf den Uebertritt von einer Kirche oder Religionsgenossenschaft zur anderen.

Artikel 4.

Nach vollendetem 14. Lebensjahre hat Jedermann ohne Unterschied des Geschlechtes die freie Wahl des Religionsbekenntnisses nach seiner eigenen Ueberzeugung und ist in dieser freien Wahl nöthigenfalls von der Behörde zu schützen. Derselbe darf sich jedoch zur Zeit der Wahl nicht in einem Geistes- oder Gemüthszustande befinden, welcher die eigene freie Ueberzeugung ausschließt.

Artikel 5.

Durch die Religionsveränderung gehen alle genossenschaftlichen Rechte der verlassenen Kirche oder Religionsgenossenschaft an den Ausgetretenen ebenso wie die Ansprüche dieses an jene verloren.

Artikel 6.

Damit jedoch der Austritt aus einer Kirche oder Religionsgenossenschaft seine gesetzliche Wirkung habe, muß der Austretende denselben der politischen Behörde melden, welche dem Vorsteher oder Seelsorger der verlassenen Kirche oder Religionsgenossenschaft die Anzeige übermittelt.

Den Eintritt in die neu gewählte Kirche oder Religionsgenossenschaft muß der Eintretende dem betreffenden Vorsteher oder Seelsorger persönlich erklären.

Wer also aus der Kirche austreten möchte, muss das der „politischen Behörde“ melden, die die Nachricht über den Austritt dann an die Kirche oder Religionsgemeinschaft übermittelt. Man musste also nicht dem Pfarrer erklären, dass man nicht an Gott glaubt.

Wie der Kirchenaustritt genau funktioniert, haben die Minister des Cultus und des Innern am 18. Jänner 1869 in einer Verordnung genauer festgelegt – und die stellt bemerkenswert wenige Anforderungen an die Austrittserklärung:

§. 1. Die zur Entgegennahme der Erklärung des Austrittes aus einer Kirche oder Religionsgesellschaft berufene politische Behörde ist die k. k. politische Bezirksbehörde (Bezirkshauptmannschaft) des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Meldenden, und in jenen Städten, die eigene Gemeindestatute haben, die mit der politischen Amtsführung betraute Gemeindebehörde.

In Wien ist diese Behörde das Magistrat der Stadt Wien – man wendet sich also an das Magistratische Bezirksamt.

§. 2. Die Competenz der Behörde zur Entgegennahme der Austrittserklärung ist durch die österreichische Staatsbürgerschaft des Austretenden nicht bedingt.

§. 3. Die Meldung muß bei der Behörde mündlich zu Protokoll gegeben, oder in einem an diese gerichteten, mit der Unterschrift des Austretenden versehenen Schriftstücke niedergelegt sein, und jene Angaben enthalten, die nöthig sind, um zu beurtheilen, wem sie zu übermitteln sei.

Ist diesen Erfordernissen nicht entsprochen, so muß der Austretende zur Ergänzung des Fehlenden vorgeladen werden.

§. 4. Die Identität der Person des Anmeldenden, und ob derselbe das vierzehnte Lebensjahr zurückgelegt, und sich in dem erforderlichen Geistes- und Gemüthszustande befinde, hat die Behörde nur dann zu prüfen, wenn Umstände vorliegen, die gegründete Zweifel zu erregen geeignet sind.

§. 5. Die Austretenden sind von der, über ihre Anmeldung getroffenen Verfügung schriftlich zu verständigen. Die schriftliche Verständigung kann unterbleiben, wenn die Partei, deren Identität nachgewiesen ist, hierauf verzichtet, oder wenn die mündliche Verständigung ausreicht.

Für den Austritt muss man der Behörde also mitteilen, wer man ist und aus welcher Kirche oder Religionsgemeinschaft man austreten möchte. Vermutlich braucht die Behörde auch noch Geburtsdatum und die Adresse des Hauptwohnsitzes. Es ist sicher auch sinnvoll, einen Ausweis mitzubringen, es sei denn, man ist bei der Behörde wirklich gut persönlich bekannt.

Es wundert mich, dass die Stadt Wien und viele auf online-kuendigen.at gelistete Behörden auch den Taufschein, eine Kirchenbeitragsnummer, ein Schreiben der Kirchenbeitragsbehörde oder Ähnliches sehen möchten, denn dies ist weder im Gesetz von 1868 noch in der Verordnung von 1869 vorgesehen. Eigentlich sollte es der Behörde reichen, zu wissen, an welche Religionsgemeinschaft sie die Erklärung über den Austritt weitergeben muss.

In Wien ist der Austritt aus der Kirche jedenfalls ein Verwaltungsakt, der vielleicht fünf Minuten am Bezirksamt dauert. Ich habe das vor vielen Jahren hier im Blog beschrieben.

 

Disclaimer: Ich bin kein Jurist. Man möge also die Aussagen zu rechtlichen Themen in diesem Blogpost mit einer Portion Vorsicht genießen – ich kann für deren Richtigkeit nicht garantieren.

Arbeitest Du auf einer Bezirkshauptmannschaft oder auf einem Magistratischen Bezirksamt? Schreib mir, wie ihr Kirchenaustritte handhabt und warum.