Was war los mit euch, Grüne? Eine Analyse.

Zu dem Ausscheiden der Grünen aus dem Nationalrat konnte man in den letzten Tagen in Zeitungen und online viele Kommentare lesen. Die meisten davon wurden von Mandataren der Grünen, von ehemaligen Mitgliedern und von Journalisten geschrieben. Die Verfasser haben ein gewisses Maß an Wissen über die internen Angelegenheiten der Partei und sind daher möglicherweise etwas mehr dazu geneigt, das katastrophale Abschneiden der Grünen als Folge einiger dieser Interna zu sehen. Sie bringen natürlich auch ihre eigenen politischen Überzeugungen in diese Kommentare ein. Man liest, die Führungsspitze habe sich abgeschottet (Maurer), die Grünen seien zu belehrend gewesen (Chorherr), es mangele an innerparteilicher Demokratie (Voggenhuber), und so weiter.

Ich finde, die Grünen haben es diesmal nicht geschafft, sich selbst als eine sinnvolle Wahl anzubieten.

Das hat mehrere Gründe:

Das erwartete Ergebnis. Es schien schon lange vor der Wahl klar, dass Schwarz und Blau gemeinsam eine Mehrheit im Nationalrat haben würden. Koalitionsvarianten, bei denen die Grünen beteiligt sein hätten können, spielten quasi keine Rolle. Es war abzusehen, dass die Grünen weiterhin in Opposition bleiben würden.

Der Kontrollverlust. Die Grünen taten sich im Wahlkampf schwer damit, sich als „Kontrollpartei“ zu positionieren. Einerseits kamen ihnen mit Peter Pilz und Gabi Moser zwei erfahrene Parlamentarier abhanden, die für ihre Arbeit in Untersuchungsausschüssen bekannt waren. Andererseits kann – falls es zu Schwarzblau kommt – auch die SPÖ die Rolle der Kontrollpartei übernehmen – und die Liste Pilz sowieso.

Was aber tut eine Partei, die in Opposition ist und mutmaßlich nicht mehr so gut in Untersuchungsausschüssen arbeiten kann? Eines tut sie jedenfalls nicht: viele Punkte des eigenen Parteiprogramms umsetzen. Das war gut gemacht und enthielt natürlich viele Grüne Kernthemen, von denen sich zumindest ein paar auch bei der SPÖ wiederfanden. Und so war auch (zum Beispiel) das TV-Duell zwischen Ulrike Lunacek und Christian Kern im ORF  streckenweise eher von einer distanzierten Gemeinsamkeit als von Ablehnung geprägt.

Nicht geholfen haben den Grünen wohl auch die innerparteilichen Streitigkeiten aus den Monaten vor der Wahl. Was als Streit zwischen einigen Studierendenvertretern an der Uni Graz begann, führte dazu, dass sich die Partei ihrer eigenen Jugendorganisation entledigte – und der Bundesparteivorsitzenden noch dazu. Dabei hätte kaum jemand Notiz davon genommen, hätten an der Uni Graz zwei Grüne Listen nebeneinander kandidiert.

Die Erstellung der Nationalratswahlliste am Bundeskongress geriet wegen Peter Pilz zu einer Demostration innerparteilicher Uneinigkeit — zu einem Zeitpunkt, an dem andere Parteien Geschlossenheit angesichts der anstehenden Wahl demonstrieren. Sie schien auch zu zeigen, dass innerparteiliche Seilschaften mehr zählen als die fachliche Qualifikation. (Das steht im Widerspruch zu Voggenhubers Kritik, es mangele an innerparteilicher Demokratie.)

Die SPÖ und die Liste Pilz hatten für Grünwähler zwei attraktive Angebote. Pilz war innerhalb der Grünen selten unumstritten und wurde im Wahlkampf als rechts diffamiert. Seine Liste konnte sich als „Kontrollpartei“ im Wahlkampf positionieren. Die SPÖ hat einen desaströsen Wahlkampf hinter sich, ist aber Teil der beiden anderen Zweierkoalitionsvarianten. Die schienen zwar schon vor der Wahl viel weniger wahrscheinlich, aber aus den Augen vieler ehemaliger Grünwähler wohl immer noch besser als Schwarzblau. Der eine oder andere politische Wunsch der Grünen würde dabei wohl auch ungesetzt werden. Eine Analyse der Wählerschaft der Parteien hat außerdem gezeigt, dass die SPÖ vor allem bei Akademikern und Personen mit Matura gewonnen hat — also bei den klassischen Grünwählern. Das hat sie möglicherweise Christian Kern zu verdanken, der im Unterschied zu seinem Parteikollegen Hans-Peter Doskozil von vielen Grünwählern als durchaus wählbar gesehen wurde. Die Vermutung, dass viele der klassischen Rot-Grün-Wechselwähler nicht damit gerechnet haben, dass die Grünen die 4%-Hürde verfehlen, liegt auch nahe.

Die Grünen haben in den nächsten Jahren jedenfalls einen weiten Weg zurück ins Parlament zu gehen. Sie müssen sich gut mit ihren Interna beschäftigen. Zu einem gewissen Grad wurden sie aber auch Opfer der politischen Situation, für die sie nur bedingt verantwortlich sind.