Vorhersagen sind schwierig…

Gestern fand im Rathaus das mittlerweile schon traditionelle Wiener Nobelpreisträgerseminar statt. Die Vorträge der drei Physiknobelpreisträger waren außerordentlich gut besucht und auch gut gemacht, aber auch für die breite Öffentlichkeit konzipiert und daher nicht besonders tiefgehend.

Im Anschluss an die Vorträge gab es eine Podiumsdiskussion zwischen Gerardus t’Hooft, George Smoot und Theodor Hänsch mit Herbert Pietschmann als Moderator. Gegen Ende der Diskussion bat er die Nobelpreisträger um ihre Vorhersagen für die Zukunft. Ein paar der Antworten waren erwartbar — wir brauchen mehr Naturwissenschaftler und Ingenieure, es gibt einen Mangel an Physiklehrern und Asien, besonders China, holt in den Naturwissenschaften und im Ingenieurwesen schnell auf . Es gab auch zwei Punkte, die ich für bloggenswert halte:

Gerard t’Hooft meinte, wir mögen uns mehr um Technologie und weniger um Design kümmern, und erwähnte dabei explizit Apple als Negativbeispiel.

George Smoot sprach die zunehmende Verbreitung von 3D-Druckern und die „desktop manufacturing revolution“ an, in der man sich die dreidimensionale Beschreibung eines Gegenstands herunterlädt, um ihn dann selbst zu drucken.

Meine Meinung dazu:

Apple ist eine Firma, die es gut versteht, Technologien, die es schon gibt, so zu adaptieren, kombinieren und integrieren, dass sie wirklich gut zu verwenden sind und toll aussehen. Dadurch, dass Apple stark vertikal ausgerichtet ist und von der Herstellung bis zur Garantiereparatur und vom Chipdesign bis zum App Store versucht, möglichst viel selbst zu machen, erfährt man von Apples technologische Innovationen nicht allzu viel. Wir erinnern uns: Apples iPod mini enthielt einen Microdrive, eine kleine mechanische Festplatte, die ursprünglich von IBM entwickelt und dann von Hitachi hergestellt wurde. Hätte Apple einen solchen selbstentwickelten Bauteil an seine -mehr oder weniger-Konkurrenten verkauft? Ich glaube, dass man Apples technologische Seite leicht übersieht, dass aber auch die Allgemeinheit nicht viel von der dort geleisteten Forschungsarbeit hat.

Smoot möchte ich beipflichten. Ich glaube, dass die aktuelle wirtschaftliche Lage sicher ihren Teil dazu beiträgt, dass es immer populärer wird, sich mal wieder als Heimwerker zu betätigen oder selbst Gemüse anzubauen. Ein kleinerer Teil der „Maker“- und „Do-it-yourself“-Bewegung beschäftigt sich aber mit wirklich coolen zukunftsweisenden Dingen wie eben 3D-Druckern, anderen neuen Technologien zur Herstellung von Gegenständen, Biotechnologie, Robotern, Molekularküche, Sensornetzwerken, und vielem mehr.

Im Kreis gegangen?

Im Kreis gegangen?

Im folgenden Video aus dem Jahr 1994 berichtet der amerikanische Zeitschriftenverlag Knight Ridder aus der eigenen Entwicklungsabteilung, dem Information Design Lab.

Link zu YouTube

Man kann jetzt natürlich sagen „Yeah, sie haben eineinhalb Jahrzehnte in die Zukunft geblickt und das iPad vorhergesehen!“

Man kann sich aber auch fragen „Was haben wir eigentlich in den letzten zehn Jahren getan?“

Vor 17 Jahren ist dieses Video gedreht worden und es hat so ausgesehen, als ob man ein paar Jahre danach ein solches Tablet in Händen halten könnte. Dass die Technologie für tragbare Geräte da war, zeigt Apples Newton Message Pad, einer der ersten PDAs (Personal Digital Assistant), der bereits 1993 präsentiert wurde und auch im Video zu sehen ist. Zwei Jahre danach brachte dann US Robotics den späteren Palm Pilot heraus, ein günstiges Gerät, das mehr oder weniger sofort zum Verkaufsschlager wurde. Diese ersten PDAs konnten sich per Modem oder über ein Handy mit dem Internet verbinden und waren zum Lesen von e-mails, Zeitungsartikeln, eBooks usw. geeignet. Wer den Dienst AvantGo nutzte konnte sich automatisch Meldungen von verschiedenen Medien wie etwa CNN und ARD auf den Palm Pilot laden lassen. Es gab keinen zentralen App Store, aber weit über 10000 verschiedene Anwendungen, vom e-Mail-Programm bis zur Datenbankanwendung, von der TV-Fernbedienung bis zum Routenplaner für die Öffis (ja, auch für Wien).

Sind wir im Kreis gelaufen? Oder war Apple clever genug, das Tablet aus der Bibliothek der nicht realisierten Konzepte zu holen und es mit aktueller Hard- und Software zu einem Marktschlager zu machen?

In der digitalen Zeitung ist mir auch folgendes sehr aktuell vorgekommen:

Was meint ihr?

Waren Neanderthaler sexy?

Heute möchte ich euch wieder einmal einen sehr tollen TED Talk vorstellen.

Was die frühen modernen Menschen über die Neanderthaler dachten, können wir nur vermuten. Allerdings hilft uns „Kommissar DNS“ dabei, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Homo sapiens und Homo neanderthalensis zu entdecken. Der schwedische Biologe und Mediziner Svante Pääbo, einer der Begründer der Paläogenetik, spricht in diesem faszinierenden TED-Talk darüber.

Allen, die gerne mehr darüber lesen würden, sei dieses Paper in der Zeitschrift Science ans Herz gelegt, das praktischerweise gratis im Volltext verfügbar ist: A Draft Sequence of the Neanderthal Genome, Green et al., Science 328 (2010) S. 710-722

Nebenbei sei noch angemerkt, dass Svante Pääbo in Wien vor nicht allzu langer Zeit einen öffentlichen Vortrag im Rahmen der Wiener Vorlesungen bei einem Symposium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zum Darwin-Jahr 2009 gehalten hat, von dem es (leider nur) einen Audiomitschnitt gibt.

Wenn ihr bis hierher gelesen habt interessiert es auch wahrscheinlich auch, dass am 11. Oktober ab 17:15 das 6. Wiener Nobelpreisträgerseminar bei freiem Eintritt im Festsaal des Rathauses stattfindet. Diesmal sind vier Träger des Physiknobelpreises eingeladen: Albert Fert (Nobelpreis 2007), Theodor W. Hänsch (2005), Gerard ‚t Hooft (1999) und George F. Smoot (2006).

Auch die nächste TEDx-Konferenz naht: TEDx Vienna findet am 22. Oktober 2011 statt. Da ich gerne dabei wäre, nehme ich mit diesem Beitrag an der TEDx-Blogparade teil und hoffe, dass ich ein Ticket gewinne.

Thema Nespresso

Nespresso ist in aller Munde, sei es wegen der Beliebtheit des Kaffeekapselsystems oder wegen dessen Angreifbarkeit für Kritik aller Art. Im Folgenden möchte ich euch auf ein paar Aspekte hinweisen, die mir in letzter Zeit aufgefallen sind.

Ab zum alten Eisen?

Nespresso wird oft (und wie ich meine zurecht) dafür kritisiert, dass die Kapseln aus energieintensiv hergestelltem Aluminium gefertigt werden und oft nicht richtig recycelt werden (können), daher also eine miese Ökobilanz aufweisen.
Ich staunte aber nicht schlecht, als ich mehr  oder weniger zufällig auf eine parlamentarische Anfrage der SPÖ an den damaligen Landwirtschaftsminister Erwin Pröll aus dem Jahr 2008 und auf die Antwort des Ministers stieß. Offenbar gilt für das Ministerium die Aluminiumkapsel gar nicht als Verpackung und Nespresso muss sich daher auch nicht um deren Entsorgung kümmern. (Firmen, die in Österreich Verpackungen auf den Markt bringen müssen diese entweder selbst zurücknehmen oder an einem Sammelsystem wie z.B. dem ARA-System teilnehmen, was natürlich mit Kosten verbunden ist.)  Der Minister erläutert auch, wie die Kapseln entsorgt werden können: „Als Sammelschiene steht die kommunale Metallsammlung (für Nichtverpackungsmetalle) zur Verfügung.“ Ob irgendjemand auf die Idee kommt, die alten Kapseln zum Mistplatz zu bringen, um sie dort in einen Altmetallcontainer (nicht in einen Container für Dosen, denn das sind ja Verpackungen) zu werfen? Ich bezweifle es.

Kaffee ist nichts für Kinder?

Dass ein Großteil unseres Kaffees aus Ländern mit einer laxen Einstellung zu den Themen Arbeitsrecht, Mindestlohn, Umweltschutz und Kinderarbeit kommt, ist Tatsache. Als Kaffeeröster, der keinen Fairtrade-Kaffee verarbeitet, befindet sich Nespresso leider in guter Gesellschaft. Ob auch das, was die ARD im folgenden Video dokumentiert hat, kein Einzelfall ist?

http://www.youtube.com/watch?v=imuHlvEJKBw

Die ganze Reportage ist hier zu finden: Teil 1, Teil 2. Darin kommt neben Nespresso auch Tchibo nicht besonders gut weg.

Alternativen?

Nespresso prozessiert gerade gegen die Schweizer Handelskette Denner, die eigene Kapseln für das Nespresso-System verkauft. Eine andere Firma wiederum stellen leere Kunststoffkapseln her, die man selbst mit frisch gemahlenem Kaffee befüllen kann. In Österreich und Deutschland kann man von einer dritten Firma fertig gefüllte Kapseln bestellen, die vollständig kompostierbar sind, dafür aber auch ähnlich viel kosten wie das Original.

Was mich stört, Atheisten…

Rund um den zehnten Jahrestag der Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon hat der Österreich-Ableger der Giordano Bruno-Stiftung auf seiner Facebook-Seite „Atheism“ das folgende Bild gepostet:

Wie sie sehen zeigt das Bild die Twin Towers mit der Sonne im Hintergrund. Man sieht aber auch ein großes Kreuz, das durch den Raum zwischen den Türmen und die Sonnenstrahlen gezeichnet wird.Eine schnelle Suche bei Google zeigt, dass diese Sichtweise durchaus gängig ist und führt außerdem auf einige Seiten, die das ursprüngliche Bild als Ganzes zeigen.

Die Aufschrift soll wahrscheinlich aussagen, dass das World Trade Center noch stünde, wenn es keine Religion gäbe. (Die andere Interpretation, „Stellt euch vor es gibt keine Religion–also weg mit dem Kreuz!“, erscheint doch ein wenig zu heftig.)
Ab hier wird es geschmacklos. Im Umkehrschluss bedeutet die obige Aussage, dass die Twin Towers nicht mehr stehen, weil es Religionen gibt. Es tragen also die bösen Religionen, und da natürlich insbesondere die bösen Moslems, daran Schuld, dass über dreitausend Menschen an jenem 11. September umkamen.

Fakt ist, dass die Anschläge von einer islamistischen Terrororganisation verübt wurden, die in ihren Heimatländern eine ökonomische und politische Lage vorgefunden hat, die es ermöglicht hat, Selbstmordattentäter zu rekrutieren. Was mich an dem Bild besonders stört, ist, dass es Religion und religiösen Fundamentalismus gleich setzt. Diese Gleichsetzung ist schlicht und ergreifend falsch und erinnert mich vor allem an die Wahlpropaganda der FPÖ. Von der Fecebook-Präsenz einer „humanistisch-aufklärerischen Denkfabrik“ (Eigendefinition) hätte ich mir das nicht erwartet.

Was mich auch stört, liebe Atheisten, ist, dass manche von euch gerne mal missionieren und dabei implizit die Anhänger von Religionen als dumm, fanatisch, radikal oder zurückgeblieben darstellen. In diesem Wesenszug seid ihr nicht viel besser als die Religionen, die ihr kritisiert; man könnte meinen, der Atheismus würde selbst zur Religion. Aus einer persönlichen Perspektive kann mir das egal sein–ich weiß genau, woran ich nicht glaube. Aus einer gesellschaftspolitischen Sicht ist mir das nicht egal. In unserer Gesellschaft ist es zum Glück jedem freigestellt, woran er (nicht) glaubt, egal ob das Gott, Allah oder das fliegende Spaghettimonster ist. Ein säkularer Staat kann aber nur dann gut funktionieren, wenn die Bürger einander gegenüber tolerant sind, wenn sie auch mal den Mut aufbringen, über den Tellerrand des eigenen (Nicht-)Glaubens zu blicken und andere Religionen und die damit verbundenen Kulturen kennen zu lernen*. Ich wünsche mir diese Toleranz und finde, frei nach Popper, dass sich die Gesellschaft das Recht herausnehmen muss, die Intoleranten nicht zu tolerieren.

Darunter sind einige von euch, werte Atheisten.

 

 

*mehr über die Versuche der österreichischen Atheisten, dies zu behindern, gibt’s hier.