Der heutige Frühlingsbeginn hat offenbar die APA (Austria Presse Agentur) und die RedakteurInnen aller großen österreichischen Onlinemedien auf dem falschen Fuß erwischt: Der Standard schreibt
Astronomisch leitete den Lenz die „Tag und Nacht“-Gleiche ein. Sie tritt auf der Nordhalbkugel heuer um exakt 18.32 Uhr ein. Die Sonne erreicht dabei ihre mittlere Bahn. Tag und Nacht sind – wie der Name schon sagt – gleich lang.
Man kann sich nun zu Recht die Frage stellen, wie denn die Astronomie feststellen kann, dass die Tagundnachtgleiche exakt um 18.32 Uhr eintritt. Das geht natürlich gar nicht. Die Sonne bewegt sich um 18.32 Uhr (mitteleuropäischer Zeit, wohlgemerkt) durch den Frühlingspunkt, in dem sich die Sonnenbahn (Ekliptik) und der Himmelsäquator kreuzen. Diesen Zeitpunkt bezeichnet man auch als Frühlingsäquinoktium.
Vereinfacht gesagt wechselt die Sonne also von der Südhalbkugel der Erde auf die Nordhalbkugel. Die Tage und Nächte sind dabei nur ungefähr gleich lang, weil die tatsächliche Länge des Tages durch ein paar andere Einflussgrößen mitbestimmt wird und sich die Sonne weiterbewegt.
So weit, so gut. Das war noch halbwegs richtig. Der Standard schreibt weiter
Tage werden länger
Alle, denen das Sonnenlicht in den Wintermonaten gefehlt hat, können jetzt aufatmen: Ab heute werden die Tage immer heller sowie länger und die Nächte kürzer.
Das ist vollkommener Schwachsinn! Schon seit der Wintersonnenwende am 21. Dezember werden die Tage länger und die Nächte kürzer.
Der Höhepunkt wird am 21. Juni erreicht, wenn die Sonne in ihrer höchsten Bahn steht und erst nach 16 Stunden und fünf Minuten untergeht. Ab dieser Sommersonnenwende kehrt sich der Trend wieder um und die Tage werden kürzer. (APA)
Der Kurier verzapft den selben Blödsinn wie der Online-Standard:
Eine Freude für Frühaufsteher und Liebhaber heller Abende: Ab dem 20. März werden die Sonnenstunden mehr, die Tage immer länger und die Nächte kürzer.
Abgesehen davon: Für die Zahl der Sonnenstunden (i.e., Stunden, in denen die Sonne an einem bestimmten Ort tatsächlich zu sehen ist), ist immer noch das Wetter verantwortlich!
Die Kleine Zeitung legt exakt denselben Frühlings-Fehlstart hin:
Tage werden länger
Alle, denen das Sonnenlicht in den Wintermonaten gefehlt hat, können jetzt aufatmen: Ab Samstag werden die Tage immer heller sowie länger und die Nächte kürzer.
Dass man in der Kronen Zeitung genau denselben Schmarrn findet wundert mich nicht:
Alle, denen das Sonnenlicht in den Wintermonaten gefehlt hat, können jetzt aufatmen: Ab heute werden die Tage immer länger und die Nächte kürzer.
Die Presse begeht genau denselben Fehler,
Eine Freude für Frühaufsteher und Liebhaber heller Abende: Ab dem 20. März werden die Sonnenstunden mehr, die Tage immer länger und die Nächte kürzer.
und erwähnt-wie einige andere Medien auch-die astronomische Definition von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, die aber mit der Tag- und Nachtgleiche nichts zu tun haben.
Ganz allgemein geht die Sonne an diesem Tag laut dem Astronomischen Büro um exakt 5.58 Uhr auf und um 18.07 unter. Gemessen werden der erste und der letzte Sonnenstrahl – sprich das Erscheinen und Verschwinden des obersten Sonnenrandes am mathematischen Horizont.
(Wenn man den Tag so definiert ist er zum Zeitpunkt des Äquinoktiums bereits zirka drei bis vier Minuten länger als die Nacht, weil für das Äquinoktium der Mittelpunkt der Sonnenscheibe ausschlaggebend ist, hier aber die Ränder der Sonnenscheibe verwendet werden.)
Einzig und alleine die Wiener Zeitung hat eine richtige, sinnvolle Beschreibung des Frühlingsbeginns in einem auch sonst lesenswerten Artikel:
Astronomisch beginnt er auf der Nordhalbkugel der Erde mit dem Zeitpunkt der Tag-und-Nacht-Gleiche im März, der fast identisch mit jenem ist, zu dem die Sonne den Himmelsäquator von Süden nach Norden überschreitet. Heute, Samstag, um 18.32 Uhr Mitteleuropäischer Zeit erreicht sie den Frühlingspunkt (auch Widderpunkt). Der Frühling endet am Tag mit der kürzesten Nacht, wenn die Sonne über dem nördlichen Wendekreis im Zenit steht, heuer folglich am 21. Juni um 13.28 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit.
Fazit
Von sechs österreichischen Zeitungen mit Online-Ableger schaffte es genau eine einzige, einen faktisch richtigen Bericht über ein astronomisches Ereignis zu publizieren, das verlässlich jedes Jahr eintritt. Die anderen fünf haben alle offenbar einen Bericht der APA übernommen und leicht umgeschrieben, ohne auf den offensichtlichen Fehler aufmerksam zu werden.
Zu guter Letzt eine Warnung der Redaktion der Tageszeitung „Österreich“: „Morgen explodiert der Frühling.“
Update (18:21): Der Standard hat mittlerweile die Formulierung geändert.